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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 26.02.2003
Aktenzeichen: 8 K 5/02
Rechtsgebiete: LwAnpG, SachenRBerG
Vorschriften:
LwAnpG § 64 | |
LwAnpG § 63 II | |
SachenRBerG § 70 III S 1 |
OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT URTEIL
Aktenz.: 8 K 5/02
Datum: 26.02.2003
Tatbestand:
Die Klägerinnen wenden sich gegen den Bodenordnungsplan EH C... III des Beklagten.
Sie sind zu je 1/2 Miteigentümerinnen des im Grundbuch von C... Bl. 154 unter der lfd. Nr. 13 eingetragenen Grundstücks, bestehend aus den Flurstücken 15/1 bis 15/4, die aus einer Neuaufteilung der im Bestandsverzeichnis ursprünglich unter der Nr. 8 eingetragenen Flurstücke 313/15 und 314/15 hervorgegangen sind. Auf dem im Bestandsverzeichnis als Gebäude- und Freifläche Langer Steig 15 gekennzeichneten 631 m2 großen Flurstück 15/4 (vormals: Flurstück 314/15) der Flur 7 in der Gemarkung C... wurde vor dem Beitritt ein sog. Eigenheim errichtet. Am 03. April 1981 wurde das Gebäudegrundbuchblatt 201 angelegt und wurden die Eheleute J... und P... B... als Gebäudeeigentümer eingetragen. Diese haben das Eigentum an dem Gebäude aufgrund des Vertrages vom 28. September 1989 an O... und H... S... übertragen, die am 13. November 1989 als Eigentümer eingetragen wurden. Das Nutzungsrecht für das Grundstück wurde den Eheleuten S... mit Wirkung vom 01. Oktober 1989 übertragen. Das bei Erwerb nicht bewohnte Eigenheim wurde von den Käufern grundlegend instandgesetzt. Am 16. September 1994 wurden die Beigeladenen auf Grund des Kaufvertrages vom 22. Dezember 1993 als Eigentümer des Gebäudes eingetragen. Die Bauarbeiten an dem nach Einschätzung der Veräußerer zu diesem Zeitpunkt nicht bewohnbaren Gebäude waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen.
Auf Antrag der Eheleute S... und der Beigeladenen ordnete der Beklagte mit Beschluss vom 20. September 1994 das Bodenordnungsverfahren für die o.g. Grundstücke an. Die Klägerinnen erklärten ihre Zustimmung zur Abfindung in Geld. Am 10. Januar 1997 gab der Beklagte den Bodenordnungsplan, der u. a. zur Abgeltung der Übertragung des Flurstücks 15/4 auf die Beigeladenen eine Abfindung in Geld i. H. v. 5.048,-- DM vorsah, bekannt. Mit ihrem im Anhörungstermin erhobenen Widerspruch haben die Klägerinnen geltend gemacht, der Abfindungsanspruch für das Flurstück 15/4 sei nicht nach dem hälftigen, sondern nach dem ungeteilten Grundstückswert zu bemessen. Das Gebäude sei ursprünglich als Umkleideraum für einen Fußballplatz errichtet worden. Noch vor der Fertigstellung sei das Gebäude nach der Verlegung des Sportplatzes an Herrn und Frau B... veräußert worden, die das Gebäude zu einem Eigenheim umbauten. Nach der Veräußerung des Gebäudes an die Eheleute S... im Jahre 1989 habe das Gebäude leer gestanden, bis es im Jahre 1994 von den Beigeladenen erworben worden sei.
Das Regierungspräsidium Halle wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13. Juni 2002, der den Klägerinnen am 18. Juni 2002 zugestellt wurde, zurück. Es sei vom hälftigen Bodenwert auszugehen, weil die Beigeladenen die rückständigen Bauarbeiten abgeschlossen und das Gebäude im Anschluss bezogen hätten.
Dagegen haben die Klägerinnen am 18. Juli 2002 Klage erhoben. Sie meinen, es sei zweifelhaft, ob die Beigeladenen wirksam Gebäudeeigentum hätten erwerben können, weil ein Gebäudegrundbuchblatt nicht vorhanden sei. Den Klägerinnen stehe gegen die Beigeladenen ein Herausgabeanspruch zu, weil das Gebäude länger als ein Jahr ungenutzt leer gestanden habe. Jedenfalls könnten die Beigeladenen nur zum ungeteilten Wert ankaufen.
Sie beantragen,
den Bodenordnungsplan des Beklagten EH C... III. vom 27. September 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Halle vom 13. Juni 2002 aufzuheben, soweit er eine Abfindung der Klägerinnen durch die Beigeladenen für das in der Gemarkung C... Flur 7 belegene Flurstück 15/4 in Höhe von 5.048,00 DM vorsieht.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er meint, den Klägerinnen stehe ein Herausgabeanspruch nicht zu, weil § 29 Abs. 1 SachenRBerG im Bodenordnungsverfahren nicht anwendbar sei.
Die Beigeladenen haben sich nicht geäußert.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage, die sich nach den klarstellenden Erläuterungen der Klägerinnen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nur gegen die der Höhe ihnen zugesprochenen Abfindung richtet, ist begründet. Insoweit ist der angefochtene Bodenordnungsplan rechtswidrig, verletzt die Klägerinnen in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und wird demgemäß auf der Grundlage des § 144 Satz 1 Alt. 1 FlurbG abgeändert.
Rechtsgrundlage für den Bodenordnungsplan sind die §§ 64 Abs. 1, 59 Abs. 1 LwAnpG. Gemäß § 64 Satz 1 LwAnpG ist das Eigentum an Flächen, auf denen auf der Grundlage eines durch Rechtsvorschriften geregelten Nutzungsrechts Gebäude und Anlagen errichtet wurden, die in selbständigem Eigentum der LPG oder Dritter stehen, auf Antrag des Grundstücks- oder Gebäudeeigentümers nach den Vorschriften des 8. Abschnitts neu zu ordnen. Die Ergebnisse des Bodenordnungsverfahrens fasst die Flurneuordnungsbehörde gemäß § 59 Abs. 1 LwAnpG in einem Plan zusammen.
Die Klägerinnen, die sich mit einer Abfindung in Geld einverstanden erklärt haben (vgl. § 58 Abs. 2 LwAnpG), sind für den Verlust des neuen Flurstücks 15/4 der Höhe nach nicht wertgemäß abgefunden worden. Gemäß § 63 Abs. 2 LwAnpG finden für die Wertermittlung in Bodenordnungsverfahren die Regelungen im Flurbereinigungsgesetz entsprechende Anwendung. Daneben finden ergänzend die Vorschriften des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes Anwendung (vgl. OVG LSA, AgrarR 1997, 57 ; ferner: Urt. v. 08.04.1997 - C 8 S 2/96 - UA S. 11).
Der Beklagte ist bei der Bemessung der Höhe der Abfindung zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Anspruch gemäß § 68 Abs. 1 SachenRBerG nach der Hälfte des Bodenwertes zu bemessen ist. Zu Recht wenden die Klägerinnen ein, die Abfindung sei nach dem ungeteilten Bodenwert zu bemessen. Gemäß § 70 Abs. 4 Satz 1 SachenRBerG ist der Kaufpreis abweichend von § 68 Abs. 1 SachenRBerG nach dem ungeteilten Bodenwert zu bemessen, wenn der Nutzer das Gebäude oder die bauliche Anlage nach dem 20. Juli 1993 erworben hat und zum Zeitpunkt des der Veräußerung zugrunde liegenden Rechtsgeschäfts die in § 29 Abs. 3 SachenRBerG bezeichneten Voraussetzungen vorlagen. Die Beigeladenen haben das Gebäude nach dem 20. Juli 1993 erworben und im Zeitpunkt des der Veräußerung zugrundeliegenden Rechtsgeschäfts haben die in § 29 Abs. 3 SachenRBerG genannten Voraussetzungen vorlagen. Das Gebäude war nach Einschätzung der Veräußerer bei Abschluss des der Veräußerung zugrunde liegenden Vertrages am 22. Dezember 1993 nicht mehr nutzbar (vgl. § 29 Abs. 3 Satz 1 Nr.1 SachenRBerG). Das haben auch die Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt, indem sie angaben, dass sie nach dem Erwerb bei dem Gebäude wegen der aufsteigenden Feuchtigkeit eine neue Dämmung und einen neuen Estrich eingebaut haben. Ferner haben sie Bad und Küche neu gefliest und die Heizung neu verlegt. Dass die Beigeladenen das Gebäude im Anschluss an den Erwerb i. S. d. § 29 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SachenRBerG wiederhergestellt haben, ändert an der Ausnahme vom Halbteilungsgrundsatz nichts, weil die Wiederherstellung erst nach Abschluss des Kaufvertrages und damit nach dem in § 70 Abs. 4 Satz 1 SachenRBerG genannten Stichtag erfolgte.
Nach dem Wortlaut der Regelung müssen zu dem in § 70 Abs. 4 Satz 1 SachenRBerG bezeichneten Stichtag sämtliche der in § 29 Abs. 3 SachenRBerG bezeichneten Voraussetzungen vorgelegen haben. Deshalb ist vom ungeteilten Bodenwert auszugehen, wenn die Wiederherstellung des Gebäudes i. S. d. § 29 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SachenRBerG nach dem 20. Juli 1993 erfolgte.
Dieses Ergebnis wird auch durch § 29 Abs. 3 Satz 2 und 3 SachenRBerG gestützt. Zwar kann der Eigentümer den Ankauf gemäß § 29 Abs. 3 Satz 2 SachenRBerG nicht verweigern, wenn der Rechtsnachfolger des Nutzers das Grundstück bebaut hat. In diesem Fall bestimmt sich aber gemäß § 29 Abs. 3 Satz 3 SachenRBerG der Ankaufspreis nach § 70 Abs. 4 SachenRBerG, also nach dem ungeteilten Bodenwert.
Diese Auslegung entspricht auch dem Zweck der Regelung. § 70 Abs. 4 Satz 1 SachenRBerG bezweckt, den Anreiz zum Abschluss von Spekulationsgeschäften zu nehmen. Nach dem Beschluss des Bundeskabinetts über die Einbringung des Entwurfs des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes war für jedermann erkennbar, auf welche Weise die Bereinigung erfolgen sollte. Die Regelung sollte der Möglichkeit entgegenwirken, geringwertige Gebäude zu erwerben, um so die Vorteile des Erwerbs nach dem hälftigen Bodenpreis nutzen zu können (vgl. Bischhoff, in: Eickmann, Sachenrechtsbereinigung, zu § 70 SachenRBerG, Rdnr. 24). Mag es gerechtfertigt sein, den Erwerber eines Gebäudes, der dieses nach Abschluss des Kaufvertrages wiederhergestellt hat, vor den Einreden des Grundstückseigentümers nach § 29 Abs. 1 und 2 SachenRBerG zu schützen und ihm den Anspruch auf Bestellung des Erbbaurechts oder des Ankaufs zu erhalten, so gilt gleiches nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers nicht für die Privilegierung hinsichtlich des Erwerbs nach dem hälftigen Bodenwert (so zu Recht: Rohte, in Eickmann, a. a. O., zu § 29 SachenRBerG Rdnr. 33; a. A.: Bischhoff, in: Eickmann, a. a. O. zu § 70 SachenRBerG Rdnr. 30). Ansonsten liefe die Regelung in § 70 Abs. 4 Satz 1 SachenRBerG weitgehend leer. Denn der Gebäudeeigentümer hätte es bis zum Abschluss des Bodenneuordnungsverfahrens in der Hand, durch eine Nutzbarmachung des erwobenen Gebäudes der Verpflichtung zur Zahlung des vollen Bodenwertes zu entgehen.
Dieses Verständnis der Regelung in § 70 As. 4 Satz 1 SachenRBerG entspricht auch die Entstehungsgeschichte der Regelung. Sie beruht auf einer Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages (vgl. BT-Drucks. 12/7425, S. 31), der zur Begründung seiner Änderungsempfehlung ausgeführt hat, die Veräußerung des Gebäudes nach dem Stichtag, die ein Recht zum Ankauf begründe, sofern der Erwerber das Gebäude wiederhergestellt habe, dürfe nicht dazu führen, dass der wegen der Aufgabe der Nutzung erloschene Bodenwertanteil des Nutzers beim Erwerber des Gebäudes wieder neu entstehe. Andernfalls könne der Nutzer einen unberechtigten Vorteil daraus erlangen, dass er das nicht mehr nutzbare oder von ihm nicht mehr genutzte Gebäude veräußere und einen Gewinn daraus erziele, dass er dem Erwerber des Gebäudes ein Recht auf Ankauf zum halben Bodenwert verschaffen könne (vgl. BT-Drucks. a. a. O. S. 76).
Auf die begründete Klage ändert der Senat den Bodenordnungsplan in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang gemäß § 144 Satz 1 FlurbG ab. Die Höhe der Abfindung hat der Beklagte für das 631 m2 große Flurstück 15/4 nach dem hälftigen Bodenwert von 8,00 DM festgesetzt. Geht man nach § 70 Abs. 4 Satz 1 SachenRBerG nach dem oben gesagten vom ungeteilten Bodenwert aus, so beläuft sich der Wert auf 10.096,00 DM ( 631 m2 x 16,00 DM), der in Euro bemessenen einen Betrag i. H. v. 5.162,00 € ergibt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind gemäß § 162 Abs. 3 VwGO nicht erstattungsfähig, weil eine Kostenerstattung aus Billigkeitsgründen nicht in Betracht kommt. Denn sie haben weder einen Antrag gestellt und sich damit dem Kostenrisiko des § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt, noch sonst das Verfahren entscheidend gefördert. Die Kosten für die anwaltliche Vertretung im Vorverfahren sind gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO erstattungsfähig. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.
Ende der Entscheidung
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